Kurz und knapp
Der Klima-Volksentscheid in Berlin ist an der Hürde der Mindestzahl an Ja-Stimmen gescheitert.
Eine New Yorker Grand Jury hat Anklage gegen den ehemaligen amerikanischen Präsidenten Donald Trump erhoben. Die genaue Anklage soll am kommenden Dienstag in Anwesenheit Trumps verlesen werden. Es geht u.a. um die mögliche Verletzung der Wahlkampffinanzierungsregeln durch eine angebliche Schweigegeldzahlung Trumps.
Eine Gruppe bestehend aus Yuval Noah Harari, Elon Musk, Steve Wozniak und anderen fordern in einem offenen Brief eine Pause in der Entwicklung von künstlicher Intelligenz. Die Risiken seien nicht mehr kalkulierbar.
BLÄTTERWALD: Irgendwie kaufe ich Elon Musk nicht ab, dass er sich wirklich vor der KI fürchtet oder gar die Menschheit vor Bösem bewahren will. Sein Unternehmen arbeitet doch mit Hochtouren daran, eine Full-Self-Driving-Pilot-Variante für die Teslas veröffentlichen zu können. Verwendet die keine hochkomplexen KIs? Doch gehen wir einmal davon aus, seine Besorgnis wäre echt: Ein sofortiger Entwicklungsstopp von künstlicher Intelligenz wäre unklug. Zugegeben, man sollte eher jetzt sofort als bald einen ethisch-moralischen und vor allem gesetzlichen Rahmen für die Verwendung von Künstlicher Intelligenz schaffen. Doch bei der Frage, ob wir, bis diese Regeln einmal aufgestellt sind, eine Pause machen sollten, gibt uns die Realität schnell eine Antwort: Es wird wohl kaum ein weltweit durchsetzbarer Stopp von KI-Entwicklung geben. Wenn man also nicht sicher sagen kann, wer in der geforderten 6 Monate langen Pause so alles heimlich weiter forscht und entwickelt, sollte man bisherige KI-Vorsprünge in demokratischen Rechtsstaaten lieber nicht verspielen. Es ist wichtig nicht den Anschluss zu verlieren, damit es überhaupt noch konkurrenzfähige KI in Ländern gibt, in denen eine Debatte zum Einsatz von Künstlicher Intelligenz öffentlich möglich ist. Und mit und nach dieser dringenden Debatte sollten natürlich auch entsprechende Gesetze folgen.
Israels Ministerpräsident Netanjahu hat als Reaktion auf die anhaltenden Massenproteste in Israel die Justizreform ausgesetzt. Damit der Minister für Nationale Sicherheit, Ben-Gvir, der Aussetzung zustimmte, hat Netanjahu diesem die Einrichtung einer Nationalgarde unter Ben-Gvirs Leitung zugesagt.
International
Die Proteste in Israel haben eine breite Unterstützung in der Bevölkerung. Doch auch Protestbefürworter wie der Tel Aviver Rechtsprofessor MENACHEM MAUTNER sehen die momentanen Kompetenzen der Gerichte kritisch. In einem Interview in der FAZ von Alexander Haneke meint MAUTNER: „Politische Probleme können nicht durch Gerichte gelöst werden.“ Es gäbe einige Reformvorschläge, die durchaus notwendig seien. Ein Problem sei die Theorie der „Angemessenheit“. Es wäre zwar normal, dass Gerichte allgemeine Rechtsgrundsätze entwickelten. Doch das Gericht in Israel hätte mit juristischem Aktivismus begonnen und angefangen alle möglichen politischen Entscheidungen der Exekutive an der „Angemessenheit“ zu messen. Damit hätte es seine Rechtsprechungskompetenzen immer weiter ausgedehnt. Die Judikative sollte beispielweise nicht mehr „die Ernennung von Ministern auf ihre ‚Angemessenheit‘ hin überprüfen“ können. Trotzdem seien die Proteste gegen Teile der geplanten Justizreform gerechtfertigt. Denn zum Beispiel wäre die Änderung zur Zusammensetzung des Richterwahlausschusses zugunsten der regierenden Koalition eine Abschaffung der unabhängigen Justiz und somit eine Aufhebung der Gewaltenteilung.
BLÄTTERWALD: Die Aussetzung der Justizreform in Israel könnte gefährlicher sein, als es auf den ersten Blick scheint. Natürlich war es wichtig, eine Umsetzung der Reform in der jetzigen Fassung erst einmal abzuwenden. Aber was folgt nun? Wenn die Proteste am Ende über die Zeit der Aussetzung an Schwung verlieren sollten, ohne, dass es in einem Dialog um die Reform zu Änderungen kommen würde, wäre wenig gewonnen. Die Regierung um Netanjahu würde die Reform möglicherweise einfach bei geringerem Protest zu späterem Zeitpunkt durchdrücken. Und auch der Tauschhandel für Ben-Gvirs Zustimmung birgt deutliche Risiken. Denn was hat ein rechtsideologischer Minister für innere Sicherheit mit einer Nationalgarde in Zeiten des Volksprotests wohl vor?
MICHAEL THUMANN antwortet Wolfgang Bauer in der ZEIT, der letzte Woche behauptet hatte, dass der Haftbefehl gegen Putin ein Fehler sei. THUMANN hingegen meint, der Gerichtshof dürfte Putin auch allein anklagen, „ganz ohne Doppelmoral“. Und auch wenn es immer noch viele Staaten gäbe, die den Gerichtshof nicht anerkennen würden, so wäre es doch besser, dort, wo es ginge, überhaupt aktiv zu werden, als gar nicht zu handeln. Die Vergleiche zum Irak- und Afghanistankrieg wären auch nur insoweit schlüssig, als dass dort zwar ebenfalls Kriegsverbrechen begangen wurden. Doch die russischen Ziele des Ukrainekriegs wären die komplette Auslöschung des ganzen Staates, und nicht „nur“ ein Regime-Wechsel wie bei den USA im Irakkrieg. Zudem sei die USA ein Land, welches offensichtliche Kriegsverbrechen ihres eigenen Militärs zumindest teilweise aufarbeite oder ahnde. Russland hingegen überhäufe die Täter der Massaker in der Ukraine mit Orden.
Alles würde sich in Frankreich seit ein paar Jahren beschleunigen, meint SYLVAIN PRUDHOMME in einem Gastkommentar für die SZ: „Sich verstärkende Ungleichheiten, immer größere Wut einer riesigen Zahl von Abgehängten der Gesellschaft, Unfähigkeit der politischen Klasse, auf die allgemeine Verunsicherung einzugehen, rasantes Erstarken des rechtsextremen Lagers.“ Und trotz dessen, dass Millionen Menschen auf die Straße gingen, würde Macron wie ein Bulldozer weiter voran walzen, „ungerührt, ohne das Problem zu sehen, ohne auch nur anerkennen zu wollen, dass es ein Problem gibt […]“. Was war Macrons Fehler? Von Anfang an und beständig wäre er der Präsident der Reichen, der Alten und der Präsident der Alleingänge gewesen. Jetzt sei das Land zweigeteilt in das selbstbewusste, moderne und urbane Frankreich und in das Frankreich der gesellschaftlich Abgehängten. Macrons Verhalten und die damit hervorgerufene Protesthaltungen in der Bevölkerung hätten damit der populistischen Kandidatin Tür und Tor geöffnet.
Gesellschaft
Unter dem Titel „Weiblich, fünfzig, unsichtbar“ schreibt MELANIE MUEHL in der FAZ darüber, wie sich das Älterwerden bei Frauen und Männern unterscheide. MUEHL beginnt mit einem Beispiel: „Eine ältere Fahrradfahrerin nimmt einem älteren Autofahrer die Vorfahrt. Der Autofahrer kurbelt daraufhin das Fenster herunter und ruft der Fahrradfahrerin hinterher: ‚Rechts vor links, du alte Schlampe‘. […] Einmal angenommen, auf dem Fahrrad hätte […] eine schöne junge Frau gesessen. Hätte der Zorn des Mannes auch sie getroffen?“ Das weibliche Schönheitsideal sähe folgendermaßen aus: jung, schlank, volle Lippen, glatte Haut. Der von sozialen und anderen Medien sowie der Wirtschaft befeuerte Traum von ewiger Attraktivität treibe immer mehr Frauen zu ästhetischen Dermatologen und plastischen Chirurgen. Doch es sei ein aussichtsloser Kampf gegen das natürliche Altern. „Warum ihn trotzdem so viele führen, verrät viel über das gesellschaftlich herrschende Bild der Frau, die anders als der Mann nicht reift, sondern verblüht.“
Wissen
Der amerikanische Psychiater BESSEL VAN DER KOLK spricht mit Barbara Vorsamer in einem sehr interessanten Interview in der SZ über die Therapie von Traumata, welche er als Horror, Terror und Zusammenbruch definiert. Ein Trauma würde aus einem schrecklichen Erlebnis entstehen, dem Gefühle von Machtlosigkeit und Verlassenheit folgen. Wenn jemand allerdings nach grauenhaften Erfahrungen eine Gemeinschaft hat, die einen auffange und helfe, würden Menschen viele schlimme Dinge auch ohne Trauma überstehen. Wenn jemand aber einmal ein Trauma habe, würde dieses in den Augen von VAN DER KOLK meistens nur unzureichend behandelt. Psychopharmaka und Gesprächstherapie seien überwiegend die Methoden der Wahl. Psychopharmaka würden zwar schwere Symptome lindern können, aber nicht das Trauma lösen. Und auch die Gesprächstherapie sei in ihrer Wirkung beschränkt: „Wir reden viel, viel zu viel. Wenn wir ein Problem haben, wird endlos darüber gesprochen. […] [Doch] zu wissen, warum alles falsch gelaufen ist, macht es nicht rückgängig. Es mag hilfreich sein, zu verstehen, welche Fehler man gemacht hat oder was man Schlimmes erlebt hat. Aber gelöst ist dadurch erst mal nichts.“ Stattdessen müsse man die Wege im Gehirn verändern, damit Reize einen nicht mehr in das traumatische Erlebnis zurückwerfen. „Sie müssen körperlich spüren, dass es Vergangenheit ist und dass sie jetzt sicher sind.“
Zum Schluss
Ebenfalls in der SZ gibt es ein längeres Dossier zu den „Vulkan Files“. Diese gäben „exklusive Einblicke in die Waffenkammer von Putins Cyberarmee“. Eine anonyme Person hätte seit Kriegsbeginn in der Ukraine immer wieder Daten aus der russischen Rüstungsindustrie, konkret vom IT-Unternehmen NTC Vulkan, der SZ zugespielt.