Kurz und knapp
Die Verabschiedung der Eckwerte des Bundeshaushalt 2024, geplant war Mittwoch, wurde auf unbestimmte Zeit verschoben, da sich die Ministerien nicht auf Einsparungen einigen können.
Nach der Schließung einiger Banken in den USA, darunter die Start Up Silicon Valley Bank, sowie die ins Straucheln geratenen Schweizer Bank CreditSuisse, geht ein Schauer durch den globalen Finanzmarkt, der einige wieder vor den Gefahren einer erneuten Finanzkrise warnen lässt.
Frankreichs Präsident Emmanuel Macron plant das Recht auf Abtreibung in der französischen Verfassung sowie der EU-Grundrechtscharta zu verankern.
Wegen mutmaßlicher Kriegsverbrechen in der Ukraine hat der Internationale Gerichtshof Haftbefehl gegen Wladimir Putin erlassen.
Deutschland
Constanze von Bullion fragt in der SZ anlässlich des Falls Luise, ob auch Kinder bestraft werden sollten. In dem „Fall Luise“ hatten ein 12- und ein 13-jähriges Mädchen gestanden, mit vielen Messerstichen eine Freundin getötet zu haben. Und daraufhin sei einmal mehr eine Debatte losgerollt, ob Kinder eigentlich straflos töten dürften – und ob die Schwelle für die Strafmündigkeit gesenkt werden müsse. Denn in §19 Strafgesetzbuch heißt es bis jetzt: „Schuldunfähig ist, wer bei Begehung der Tat noch nicht vierzehn Jahre alt ist.“ Doch dass man an einzelnen Fällen nicht immer gleich eine Strafrechtsreform ansetzen sollte, gibt der FDP-Fraktionsvize Konstantin Kuhle zu bedenken: „Was auch immer dazu geführt hat, dass zwei so junge Mädchen ein anderes Mädchen umbringen, kann durch das Strafrecht nicht geheilt werden.“ Außerdem würde sich eine Tat, die so unfassbar ist, dass es einem die Sprache verschlägt, nicht als Musterbeispiel für den Gesetzgeber eignen.
Die Ampelkoalition versucht sich an einer Wahlrechtsreform um den Bundestag zu verkleinern. Die Kommentare fallen eher negativ aus. PATRICK BAHNERS meint in der FAZ, dass der Wähler nach der Reform nicht mehr wissen würde, was seine Stimme bewirke. So spreche der Gesetzesentwurf offen aus, dass es sich bei der Abgabe der Erststimme nicht mehr um einen Wahlakt handeln wird, sondern „einer Vorauswahl der Kandidaten“ diene. Doch dränge sich die Frage auf, warum „die Wähler mit der Vorauswahl der Kandidaten befasst beziehungsweise behelligt werden sollten“. Das sei Aufgabe der Wahlvorbereitung, die der Bürger sei es, zu wählen.
Ebenfalls in der FAZ nennt DANIEL DECKERS die Reform sogar verheerend. Es würde schon bei der nun angestrebten Größe von 630 Abgeordneten beginnen: „Vor zwei Monaten noch wollte es die Ampel bei 598 Abgeordneten belassen. Nun gönnt man sich im Blick auf die Möglichkeit, dass es bei der nächsten Wahl gerade für die Freien Demokraten eng werden könnte, 32 Abgeordnete mehr.“ Doch vor allem die Streichung der sogenannten Grundmandatsklausel sei problematisch und werde zwangsläufig das Bundesverfassungsgericht beschäftigen.
Dass die jetzt von der Ampel gelobte Selbstbeschränkung eigentlich keine sei, findet ROBERT ROSSMANN in der SZ. Denn schon vor 10 Jahren hätte der damalige Bundestagspräsident Norbert Lammert eine Änderung des Wahlrechts angemahnt, bei damals schon 631 Abgeordneten. Jetzt seien es zwar 736. Die geplante Größe von 630 sei aber im Vergleich zu vor 10 Jahren dann kein wirklicher Fortschritt. Hinzu käme, dass die Zahl der Mitarbeiter in den Bundesministerien stetig steige und noch keine Regierung zuvor sich so viele Parlamentarische Staatssekretäre gegönnt hätte.
Anders sieht es zu all diesen Aspekten naturgemäß der juristische Berater der Koalitionsfraktionen CHRISTOPH MÖLLERS, der im Interview mit Spiegel Online erklärt, wie mit dieser Reform ohne unzumutbare demokratische Kosten eine Verkleinerung des Bundestags erreicht wird.
Ausland
Die Proteste in Israel dauern an. LEA FREHSE und JAN ROSS nehmen uns in der ZEIT mit auf „eine Reise durch ein zerrissenes Land“. Grob gesagt bestünden die zwei politischen Lager einmal aus denen, die behaupten die Justizreform würde die Macht des Staates dem Parlament, und somit dem Volk, zurückgeben. Denen gegenüber stünde die protestierende Seite. Diejenigen also, welche die Reform als Ende der Gewaltenteilung kritisierten. Die Befürworter wären Leute wie der Knesset-Abgeordnete Simcha Rothman: Er verachte „die“ Protestierenden, für ihn seien dies „weiße, säkulare, linke [aus der] Oberschicht, die Israels staatliche Institutionen beherrschen“ würden. Seinesgleichen hingegen seien „die Underdogs, gläubig und rechts“. Die Kritiker der Reform seien Leute wie Schaul Olmert: Junger StartUp-Unternehmer, eher links liberal und besorgt über „die ökonomischen Folgen der drohenden Entmachtung der Justiz“. Seine rechte Gegenseite sähe er als „Hinterwäldler“. Das religiöse und ultraorthodoxe Milieu, das er als „rückständig und parasitär“ empfinde. Der Streit um die Justizreform sei also auch ein Sozialkonflikt, ein Klassenkampf, so FREHSE und ROSS.
Überall wird protestiert. In Georgien würden sich Menschen aus ganz unterschiedlichen politischen Bereichen gegen ihre kremlnahe Regierung zusammentun, da sie ihre Zukunft in Europa sähen, schreibt ZAAL ANDRONIKASHVILI in der FAZ. Entzündet hatten sich die Proteste an dem geplanten „Agentengesetz“, das Organisationen wie NGOs dazu verpflichten sollte, sich als „ausländische Agenten“ zu registrieren. Ursprung dieser Entwicklung sei „die schleichende Hinwendung des Regimes nach Russland, die jedoch die Mehrheit der Bevölkerung nicht mitmachen möchte“. Und diese Mehrheit würde „von allen Bevölkerungsschichten und Altersstufen und allen politischen Richtungen, von den Sozialisten bis zu den Rechtsliberalen“ getragen. Die deutsche Grünen-Politikerin im EU-Parlament Viola von Cramon hätte es gut zusammengefasst: „Die Menschen in Georgien verdienten es, in der EU zu sein, auch wenn ihre gegenwärtige Regierung es nicht verdiene.“
WOJCIECH KOŚĆ berichtet auf Politico über das momentan dominierende Thema in Polen: Der amerikanische Sender TVN hat einen Dokumentarfilm veröffentlicht, der Papst Johannes Paul II. die Vertuschung von pädophilen Priestern vorwirft. So sei dieser trotz dessen bald zwanzig Jahre zurückliegenden Todes momentan das heißeste Thema im Vorfeld der Parlamentswahlen im Herbst. Das Thema würde auch deswegen so hohe Wellen schlagen, weil die regierende nationalistische Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) so eng mit der mächtigen römisch-katholischen Kirche verbündet sei. Die Frontlinien fänden sich schnell: "Das Parlament verurteilt die schändliche Kampagne der Medien ... gegen den großen Papst Johannes Paul II, den größten Polen der Geschichte", heiße es in einer Resolution des Parlaments. Diese Aktivitäten würden „den Zielen eines hybriden Krieges entsprechen, der darauf abziele, Spaltungen und Spannungen in der polnischen Gesellschaft zu verursachen“, wie das polnische Außenministerium erklären ließ. Also Mal wieder „die“ gegen „uns“ im Kulturkampf der PiS. Der PiS käme entgegen, dass das Land immer noch eines der katholischsten in Europa sei. „Die Kirche hat nach wie vor einen übergroßen Einfluss bei älteren Menschen und in kleineren Städten und Dörfern - den Wahlhochburgen der PiS.“
„Die Rente ist ein Ersatz für den Sozialismus“ behauptet der Soziologe MARCEL GAUCHET in einem Interview mit MATTHIAS KRUPA für die ZEIT. Seit Monaten würden Hunderttausende in Frankreich auf die Straße gehen, um gegen die geplante Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre zu demonstrieren. Die Proteste seien allerdings kein Klassenkampf der Arbeiter, sondern eher ein Psychodrama, da die meisten Franzosen zwar wüssten, dass die Reform unvermeidlich sei, es ihnen aber „trotzdem schwer falle zu verstehen, was mit ihnen geschieht“. Dass nun die Rente diese starken Emotionen in der französischen Bevölkerung herriefen, läge an den alten Träumen des Sozialismus. „Sie wissen, dass es keinen Sozialismus geben wird, aber wenigstens gibt es die Rente“, eine Art Ersatz für den Wunsch „nur zwei, drei Stunden vormittags arbeiten [zu müssen]“. Und auch die Tradition sei schwieriger mit einer späten Rente vereinbar: „In Frankreich existiert eine besondere Tradition der Freizeit, des Familienlebens, die Enkelkinder werden oft von den Großeltern aufgezogen. Das alles ist Teil eines Mythos, der verlangt, dass man früh genug in Rente geht.“
Ukrainekrieg
In der ukrainischen Gesellschaft hätte es einige Ambivalenzen gegeben, meint MYKOLA RIABCHUK auf RaamopRusland. Einerseits sei schwer zu verstehen, warum ein so russfiziertes und sowjetisiertes Volk 1991 für die Unabhängigkeit stimmte. Andersseits sei unklar, warum eben dieses Volk dann „so wenig bereit zu sein schien, mit den alten kulturellen und politischen Praktiken zu brechen“. Doch diese Ambivalenzen seien durch Russlands Aggressionen und Krieg selbst beendet worden. Der Zusammenhalt der Ukrainer hätte viele so sehr beeindruckt, dass einige „eifrig die Geburt einer ‚neuen Nation‘ verkündeten“. Doch niemand könne aus einer gespaltenen Bevölkerung sofort eine Nation bilden, es sei denn, diese Menschen hätten einen gemeinsamen Nenner. Dieser sei der weit verbreitete Lokalpatriotismus gewesen, „eine tief verwurzelte Verbundenheit mit dem Land, der Heimat und der einheimischen Gemeinschaft“. Und so hätte Putin zwar nicht die ukrainische Nation geschaffen. Allerdings hätte er „einen großen Teil der ukrainischen Gesellschaft von ihren [vorigen] Ambivalenzen geheilt“.
EDWARD LUCE erinnert uns in der Financial Times daran, dass es auch wieder einmal Präsidentschaftswahlen in den USA geben wird. In Bezug auf die kulturellen Vorstellungen, die republikanische MAGA-Anhänger und Putin miteinander teilen würden, müssten wir uns fragen, ob Putin nicht damit rechne, dass vielleicht sogar ein Trump 2024 in das amerikanische Präsidentenamt zurückkehren könnte. Dies würde eine Art Trumpf für Putin sein. Denn Trump hätte schon gesagt, dass er den Krieg innerhalb von 24 Stunden beenden würde, wenn er erneut Präsident wäre. Aber nicht nur dieser würde unsichere Zeiten für die weitere amerikanische Unterstützung der Ukraine bedeuten. In der republikanischen Partei allgemein, und auch bei dem ebenfalls für die Präsidentschaftskandidatur hoch gehandelten Ron DeSantis, sei der Wille zur weiteren finanziellen und militärischen Unterstützung im Ukrainekrieg nur gering ausgeprägt.
Zum Schluss
REINHARD BINGENER und MARKUS WEHNER haben im C.H. Beck Verlag das Buch „Die Moskau Connection“ veröffentlicht. Sie zeigen, wie vor allem durch das Netzwerk um den ehemaligen Bundeskanzler Gerhard Schröder Deutschlands Weg in die wirtschaftliche Abhängigkeit von russischem Gas gebahnt wurde.
Die FAZ stellt in ihrem F.A.Z. Podcast für Deutschland das neue Buch vor.
In der ARTE-Mediathek gibt es eine dreiteilige Reportage mit dem Titel „Wer ist Wladimir Putin?“