Kurz und knapp
Nach den Parlamentswahlen in Finnland wurde die Partei der amtierenden Ministerpräsidentin Sanna Marin, die Sozialdemokraten, nur drittstärkste Kraft. Damit ist ein Bündnis zwischen der konservativen
„Nationalen Sammlungspartei“ und der rechtspopulistischen „Basisfinnen“ am wahrscheinlichsten, welche bei den Wahlen stärkste und zweitstärkste Kraft wurde.
Finnland ist nun vollwertiges Mitglied des westlichen (Abwehr-)Militärbündnisses NATO.
Donald Trump hat sich in New York der Justiz gestellt und ist am Dienstag zu seiner Anklage-Verlesung erschienen. Er ist damit der erste amerikanische Präsident, gegen den ein Strafverfahren eingeleitet wurde.
In Folge von Raketenbeschuss aus Gaza und dem Libanon reagiert Israel ebenfalls mit Luftangriffen. Der Anlass der auf Israel abgefeuerten Raketen waren gewaltsame Auseinandersetzung auf dem Al-Aqsa-Plateau in Ostjerusalem.
Deutschland
Die ZEIT - Interview von Anna von Münchhausen und Stefan Schirmer - bringt ein Streitgespräch zwischen vier Leserbriefschreibern. Sie setzen sich mit dem ZEIT-Beitrag eines 17-Jährigen auseinander, welcher die Einführung eines sozialen „Gesellschaftsjahres“ forderte - allerdings durch den Vorschlag ergänzt, dass diesen Dienst neben den Jugendlichen auch Senioren im Ruhestand leisten müssten.
BETTINA POLEI-STAHL meint, eine Zwangsverpflichtung sei falsch. Sie engagiert sich schon in einem Seniorenrat der Stadt und würde sich jetzt mit 65 im Ruhestand auch gerne um ihre Töchter und deren Enkelkinder kümmern. FRANZ XAVER BRUNNGARTNER lehnt ein Senioren-Dienstjahr ab, weil er es sich nicht einmal leisten könne. Mit 50 hätte er sich noch selbstständig gemacht. Und obwohl er schon davor 35 Jahre in die gesetzliche Rentenkasse eingezahlt hätte, müsse er heute mit 69 noch halbtags arbeiten, damit das Geld ausreiche. ADELHEID BECKER hingegen findet, dass ihre Generation - beglückt mit Wohlstand, gute Bildung und Frieden - ruhig etwas zurückgeben könne. Es solle zwar niemand, der nach 50 Arbeitsjahren am Ende sei, zu etwas gezwungen werden. Doch viele Rentner könnten mit ihrer Zeit eigentlich etwas Sinnvolles tun. BERND HOPPE, 62 und arbeitssuchend, findet den Vorschlag ebenfalls gut, um die Generationen besser zusammenzubringen. Die Jungendlichen allein in die Pflicht zu nehmen, würde die Spaltung und das Unverständnis nur noch anheizen. Es könne für Rentner ja angepasste Varianten geben. Der eine könnte zehn Stunden pro Woche arbeiten, die andere vielleicht 20, im Repair-Cafe oder als Nachhilfe für junge Schülerinnen.
Europa
KAI STRITTMATTER kommentiert in SZ die China-Reise von EU-Kommissionspräsidentin von der Leyen und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron. Auch wenn der Doppelbesuch europäische Geschlossenheit signalisieren sollte, sei das „Ringen um den Umgang mit Peking noch in vollem Gange“. Von der Leyen stünde für den Teil derjenigen, welche die neuen geopolitischen Realitäten erkannt hätten: „Ja, wir sollen weiter mit China reden und Handel treiben, aber wir müssen die Risiken erkennen und unsere strategischen Abhängigkeiten schnell verringern.“ Aber viele müssten erst einmal noch erkennen und benennen, was China sei, nämlich längst nicht mehr das Reich von Reform und Öffnung. Sondern ein global agierender Player, der vor allem zum Ziel hätte, einen Keil zwischen die EU und die USA zu treiben und eine neue china-zentristische Weltordnung zu etablieren. „Macron [allerdings] gehört - wie auch Kanzler Olaf Scholz oder Spaniens Premier Pedro Sánchez - zum Camp jener, von denen längst nicht klar ist, ob sie schon so weit sind. Macron und Sánchez etwa tun so, als glaubten sie auch nach Xi Jinpings und Wladimir Putins Verbrüderung in Moskau noch daran, Xis Ukraine-Friedensbemühungen seien ernst zu nehmen.“
Recht
Ist die Bezeichnung als „Dämliches Stück Hirn-Vakuum“ von der Meinungsfreiheit gedeckt? In einem Kommentar für LTO setzt sich THOMAS FISCHER mit einem Urteil des LG Heilbronn auseinander. Das Gericht hatte eine Klage der SPD-Politikerin Sawsan Chebli abgewiesen, welche von einem Facebook-Nutzer Unterlassung und 5.000 Euro Schmerzensgeld gefordert hatte, da sie sich durch dessen Beleidigung in ihrem allgemeinen Persönlichkeitsrecht verletzt sah. FISCHER stellt klar, dass es für die Zulässigkeit einer Äußerung entscheidend auf den Kontext ankomme und das Urteil die Aussagen nicht pauschal erlaube, sondern einzig für diesen Einzelfall entschieden habe. Der Beklagte hatte auf seiner Facebook-Seite Folgendes veröffentlicht: „‚Selten so ein dämliches Stück Hirn-Vakuum in der Politik gesehen wie Sawsan Chebli. Soll einfach abtauchen und die Sozialschulden ihrer Familie begleichen.‘“ Dies sei eine Antwort-Reaktion in einer Debatte gewesen, welche sich wiederum um folgenden Facebook-Beitrag Cheblis gedreht hätte: „‚Immer wieder Dieter#Nuhr: so ignorant, dumm und uninformiert. Er [kann] nur Witze auf Kosten von Minderheiten machen. Wie lange will @ARD das mitmachen?‘“ Für sein Urteil hätte das Gericht im wesentliche folgende Wertungsgesichtspunkte herangezogen: Es bestehe ein Sachbezug in der Äußerung des Beklagten zur Äußerung der Klägerin, die Klägerin sei eine in der Öffentlichkeit stehende Politikerin, die Klägerin benutze in ihrer Äußerung ein ähnliches herablassendes Vokabular wie der Beklagte, die Klägerin hätte die polemische öffentliche Auseinandersetzung selbst begonnen. Somit läge keine „‚reine Schmähkritik’“ vor, die Äußerung des Beklagten liege noch in den Grenzen der Meinungsfreiheit. FISCHER findet das Urteil vertretbar, auch, wenn man unter Umständen zu einem anderen Ergebnis kommen könnte, was allerdings unerheblich sei.
Anders sieht es FELIX ZIMMERMANN auf LTO in Reaktion auf FISCHERS Kommentar. Es sei zwar richtig, dass Chebli den harschen Ton mit ihrer vorangegangenen Aussage selbst gesetzt hätte. Doch die restlichen Argumente seien nicht plausibel, die Entscheidung des Gerichts „nicht mit der Rechtsprechung des BVerfG in Einklang zu bringen“. Schon das Vokabular der beiden Äußerungen sei nicht vergleichbar. „‚Dämliches Stück Hirn-Vakuum‘“ würde „ein anderes Beleidigungslevel“ erreichen. „‚Stück‘“ sei gar entmenschlichend und zum Objekt degradierend. Die Persönlichkeitsrechte Cheblis hätten in der Abwägung zu wenig Beachtung gefunden. Machtkritik gegenüber Politikern sei zwar besonders geschützt. Doch liege in der konkreten Beleidigung keinerlei Machtkritik vor. Und auch die Aussage, sie solle „abtauchen“ und ihre „Sozialschulden“ begleichen, sei durchaus diffamierend, ziele sie doch gerade darauf ab, „Migrantenkinder“ aus dem Diskurs zu verbannen.
PATRICK HEINEMANN geht ebenfalls auf LTO der Frage nach, ob das Bundesverfassungsgericht sein bisheriges Hoheitszeichen, den einheitlichen Bundesadler, einfach ändern dürfe. Das BVerfG würde sich laut einer Pressemitteilung künftig gerne „bürgernah, modern und unabhängig geben“. Ein neues Erscheinungsbild, inklusive eines neuen Adlers, sei Teil einer neuen „Wort-Bild-Marke“, die von der Agentur Mosaik Management für 84.622 Euro als „Corporate Design“ für das BVerfG entworfen worden sei. Rechtlich sei jedoch fraglich, ob das BVerfG diese Entscheidung selbst treffen dürfe. Denn in einem nach wie vor gültigen Erlass des früheren Bundespräsidenten Heuss heiße es: „‚Das Bundesverfassungsgericht, das Oberste Bundesgericht sowie die oberen Bundesgerichte verwenden das große Bundessiegel zur Ausfertigung von Urteilen und Beschlüssen.‘“ Mit welcher Rechtsgrundlage das BVerfG das neue Hoheitszeichen geändert habe, hätte es auf LTO-Anfrage nicht beantworten können. Die einhellige Verfassungslehre ginge allerdings davon aus, dass das Recht zur Bestimmung der Hoheitszeichen des Bundes dem Bundespräsidenten zukomme, „soweit nicht der Bundesgesetzgeber tätig wird“. Doch das Bundespräsidialamt von Frank Walter Steinmeier habe mitgeteilt, dass der Bundespräsident nicht in die Entscheidung des BVerfG eingebunden gewesen sei. Da alle andere obersten Gerichte über ihren Urteilen nach wie vor das einheitliche Hoheitszeichen verwendeten, würde die Autorität „der roten Roben“ durch die Verwendung eines „Adler-Logos“ einer Werbeagentur geschwächt.
Medien
JAN-WERNER MUELLER fragt auf Project Syndicate, ob Journalisten Aktivisten sein dürfen. Die konventionelle Unterscheidung zwischen Journalist und Aktivist ergebe keinen Sinn, da die Rolle von Journalisten nie passiv gewesen sei. Wer zum Beispiel dazu schweigen würde, dass Autokraten ihre Macht konsolidieren und Medien angreifen, wäre dadurch keineswegs neutral. Traditionelle Ausgewogenheit, also die Vorgehensweise, „routinemäßig beide Seiten eines politischen Streits wiederzugeben“, verzerre häufig die Wirklichkeit. Allerdings ginge es auf Kosten der Wahrheit, eine wirklich „asymmetrische Lage als symmetrisch darzustellen“. „Da in Demokratien immer mit vielen legitimen Meinungsverschiedenheiten umgegangen werden muss, führt die Gewohnheit, jeden Artikel mit einer – progressiven oder konservativen – Agenda zu versehen, nicht nur zu einer einseitigen Berichterstattung. Sie ist auch ein Ausdruck der Arroganz gegenüber den Mitbürgern, denen anscheinend nicht zugetraut werden kann, sich ihre eigene Meinung zu bilden.“ Eigentlich sei die Unterscheidung zwischen Journalismus und Aktivismus gar nicht passend. Vielmehr müsse man die Unterscheidung anhand Berichterstattung und Parteinahme vornehmen. Reporter würden „informieren“, Journalisten würden „reformieren“. Dabei sei die Parteinahme nicht schon an sich schlecht. Sie wäre erst fraglich, wenn Journalisten dabei nicht mehr die „‚beste erreichbare Version der Wahrheit‘“ anstreben würden, sondern wider besseren Wissens Falsches verbreiten würden.
In einem Interview erklärt MARCUS BOESCH in der FAZ, warum TikTok sich so gut für die Verbreitung von Propaganda eignen würde. Zunächst natürlich wegen der extremen Reichweite der App mit ihren mehr als eine Milliarde Nutzerinnen. In den allermeisten Ländern läge die durchschnittliche Nutzungsdauer von TikTok schon weit über der von YouTube. Die Besonderheit von TikTok sei der „hundertprozentige Fokus auf die algorithmische Verbreitung von Inhalten“. In der alten „Plattform-Logik“ hätte man nur Content gesehen, den man auch abonniert hätte. Bei TikTok allerdings könnte man auch ganz ohne Follower seine Inhalte schnell und weit verbreiten. Der Mechanismus funktioniere wie folgt: „Mein erstes Video wird an zehn mir komplett fremde Nutzer ausgespielt. Anhand deren Reaktion wird entschieden. Oh, niemand hat sich das Video angeguckt. Oder: Oh, zehn Leute sind begeistert […]. Dann wird es direkt an rund hundert Leute ausgespielt, dann an tausend, an zehntausend. […] Für eine Desinformationskampagne lassen sich nun ad hoc eine ganze Reihe von Accounts anlegen, von denen dann vielleicht einer viral geht. Das ist natürlich weniger aufwendig, als mit Bot-Accounts ein Netzwerk aufbauen [zu müssen].“
Wissen
Antidepressiva wirken wohlmöglich ganz anders, als man es seit Langem in der Medizin annahm, berichtetSTEFANIE KARA in der ZEIT. Lange hätte man vermutet, dass Antidepressiva einen Botenstoffmangel im Gehirn ausgleichen würden. Der Mangel sei somit die Ursache der Depression. Doch neue Forschung und Studien hätten gezeigt, dass dieser Erklärungsansatz nicht haltbar sei. Außerdem sei Ärzten aufgefallen, „dass es manchen depressiven Menschen unmittelbar nach Operationen, die unter [dem Narkosemittel] Ketamin durchgeführt wurden, deutlich besser ging“. Ketamin hätte allerdings nichts mit der Wirkungsweise der herkömmlichen Antidepressiva gemein. Stattdessen hätten sich gezeigt, „dass Ketamin die Übertragung von Informationen zwischen den Hirnzellen verbessert und sogar neue Verbindungsstellen, Synapsen, sprießen lässt (‚synaptische Plastizität‘ genannt)“. Dadurch könnten Menschen neues lernen, das Gehirn löse sich von festgefahrenen Mustern. Und so wäre eine neue Hypothese zur Erklärung von Depressionen entstanden: „Depressionen entstünden dadurch, dass die Plastizität im Gehirn sinke. Erhöhe man sie, lasse sich die Krankheit lindern.“ Und die herkömmlichen Medikamente würden vielen schon helfen können, weil sie ebenfalls, nur durch einen anderen Mechanismus, die Plastizität im Gehirn erhöhen könnten.
Zum Schluss
Auf der Website peacecomms.org gibt es animierte Video-Geschichten mit der Titel-Reihe „Wispernd in Gaza“. Im Schutze der künstlerischen Verfremdung durch Animation erzählen Menschen aus Palästina von ihrem Leben unter der Herrschaft der Hamas.