Deutschland
In einem Interview der FAZ spricht der Kölner Staatsrechtler STEPHAN RIXEN über die Taktik der Kirchen bei der (rechtlichen) Aufarbeitung sexuellen Missbrauchs und welche Rolle dabei der Staat spielt. Dass es immer noch grundsätzliche Probleme gibt, schildert RIXEN anhand seines Austritts im Dezember 2022 aus der Unabhängigen Aufarbeitungskommission des Erzbistums Köln. So habe er diese unter anderem verlassen, weil es Kommissionsstimmen gäbe, die die Probleme nicht bei der Aufarbeitung sähen, sondern nur bei der Umsetzung von Präventionskonzepten. Dass Regierungen und Justiz nicht ganz unbeteiligt an der schleppenden Aufarbeitung waren (und sind), erklärt sich RIXEN damit, dass es „zum einen auf den Staat zurückfallen [würde], wenn er sich bei der Aufarbeitung an die Stelle der Kirchen setze und dann etwas schiefginge. Zum anderen [müsse] der Staat [dann] damit rechnen, dass sich umso mehr Fragen an ihn selbst richten“.
BERND KASTNER kommentiert in der SZ einen „eigentlich […] ganz normalen Vorgang in einem Rechtsstaat“. Und doch ist es für KASTNER „fast eine Sensation, dass Münchner Staatsanwälte mit einem Durchsuchungsbeschluss vor den Türen der katholischen Verwaltungszentrale […] standen“, war die Kirche doch gewohnt, vom Staat ein bisschen zurückhaltender behandelt zu werden. Höchste Zeit, so KASTNER, denn: Auch „die Kirchen sind nicht unantastbar“. Müsste doch eigentlich der Staat derjenige sein, welcher sich um Opfer und Täter kümmert, und nicht die beschuldigte Institution (die Kirche) in eigener Sache.
Es scheint so, als würde sich nach der Wiederholungswahl in Berlin, bei der die CDU mit deutlichem Abstand stärkste Kraft wurde, eine Koalition aus SPD und CDU abzeichnen. Damit wäre die altbekannte Rot-Grün-Rot-Regierung Geschichte. Ob sich dadurch in der Chaos-Hauptstadt wirklich etwas ändern würde, kann nur die Zukunft zeigen. Doch die Wiederholungswahl wäre auf jeden Fall ein Gewinn für Berlin, wenn mehr Sicherheit, mehr Wohnungen und eine Verfassungsreform für klarere Zuständigkeiten die Ergebnisse der neuen Rot-Schwarzen Koalition wären, findet MARKUS WEHNER in der FAZ.
Während des frühen Beginns der Pandemie, von der breiten Öffentlichkeit kaum wahrgenommen, hatte das Bundesverfassungsgericht das damalige Gesetz zum Verbot gewerbsmäßiger Sterbehilfe für verfassungswidrig erklärt. Damit hatte das Gericht in seinem Urteil „ein Grundrecht auf selbstbestimmtes Sterben fest[gestellt] und das Recht begründet, dabei Hilfe Dritter in Anspruch zu nehmen“, erzählt WOLFGANG THIERSE in einem Gastkommentar für die SZ. Der Gesetzgeber musste also eine neue Regelung finden. Nun sei ein neuer Entwurf mit dem Namen „Zum Schutz der Freiverantwortlichkeit der Entscheidung zur Selbsttötung“ in den Bundestag eingebracht worden. THIERSE meint, dieser würde den legalen Zugang zur Suizidhilfe ermöglichen, „ohne ihn zu begünstigen“. Der Entwurf finde die Mitte zwischen dem Selbstbestimmungsrecht Sterbewilliger und einem Schutzkonzept für das Leben. Doch das Sterbehilfegesetz dürfe kein Suizideinladungstext sein. Denn genauso wie das Recht auf menschenwürdiges Sterben, gäbe „es ein unverwirkbares Menschenrecht auf Leben“.
Ausland
Donald Trump? Lange nichts mehr von diesem Herrn gelesen. Die meisten würden wohl zustimmen, dass dies ein Segen sei. SOFIA DREISBACH gibt in Hinblick auf eine erneute Kandidatur Trumps zu den nächsten amerikanischen Präsidentschaftswahlen einen Überblick, welche Ermittlungen alle gegen Trump laufen: Zunächst habe Trump rechtliche Konsequenzen zu fürchten, da er „nach seinem Auszug aus dem Weißen Haus Hunderte Verschlusssachen in sein Privatanwesen Mar-a-Lago in Florida“ mitnahm, möglicherweise ein Verstoß gegen das Spionagegesetz. Des Weiteren liefen Untersuchungen zu Trumps Einfluss auf die Stürmung des Kapitols am 6. Januar 2021. Mögliche Straftatbestände: „Aufruhr, Verschwörung gegen die Vereinigten Staaten, Behinderung des Kongresses und Verschwörung zu falschen Angaben.“ Zudem noch der Fall der möglicherweise versuchten Einflussnahme Trumps auf die Wahlergebnisse in Georgia sowie angebliche Schweigegeld-Zahlungen eines ehemaligen Anwalts Trumps an eine Pornodarstellerin zwecks Vertuschung einer vergangenen Affäre, berichtet DREISBACH.
Am Montag haben der britische Premier Rishi Sunak und EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine fast ein bisschen historische Regelung zum Nordirland-Protokoll geschlossen. Schien nach dem Brexit die Frage nach der Handhabung Nordirlands als Front zwischen Großbritannien und der EU doch auf ewig festgefahren. Die neue Regelung kann man wohl auf ganzer Länge als erfolgreichen Kompromiss loben. Doch dass selbst das vielleicht nicht reichen wird, gibt PETER STURM in der FAZ zu bedenken, beginne doch jetzt erst die eigentliche Arbeit: „Er muss zuerst die eigene Partei, zweitens das Unterhaus und vor allem drittens die Unionisten in Nordirland vom Wert dieser Einigung überzeugen.“ Diese aber hingen nach wie vor an der absolut reibungslosen Anbindung zum britischen Festland. Entsprechend nüchtern waren die ersten Reaktionen auf die neue Regelung.
In der Türkei könnte es wohlmöglich zu einem demokratischen Sieg der Opposition kommen, schreibt CAN DÜNDAR in der ZEIT. Doch die Ausgangslage dafür scheint nicht allzu vorteilhaft: „Parlament und Justiz sind unter Erdoğans Kontrolle, ebenso Medien, Hochschulen und Kapital.“ Armee und Polizeiapperrat würden für die Macht der Regierung missbraucht. Oppositionelle seien im Gefängnis, oder ihnen drohe Haft. Könne man so eine Wahl gewinnen? „Man kann“, meint DÜNDAR. Bestes Beispiel sei die Kommunalwahl in Istanbul. Durch einen gemeinsamen Kandidaten der Oppositionsparteien wurde „die 25 Jahre lang von Erdogan gehaltene Metropole zurück[geholt]“. Da die Zustimmung zu Erdogans Herrschaft „aufgrund der schlechten Wirtschaftslage, der grassierenden Korruption und des staatlichen Versagens nach den jüngsten Erdbeben“ falle, könnte die Wahl im Mai zeigen, „dass eine autokratische Regierung mit demokratischen Mitteln auch wieder abgesetzt werden kann“.
Dass es in Israel langsam ernst wird, erzählen uns FANIA OZ-SALZBERGER und ELI SALZBERGER in einem Kommentar für die taz. Sie rufen uns dazu auf, ihnen zu helfen und Israels Demokratie zu schützen. Nur wie, verraten sie leider nicht. Doch dass Deutschland seine neutrale Haltung gegenüber den Entwicklungen der israelischen Politik so beibehalten kann, erweist sich angesichts der Schilderungen als nicht mehr zu rechtfertigen. So sei nicht nur die jetzt viel besprochene Justizreform eine Herausforderung. Viel mehr ebne diese nur den Weg für die politischen Pläne der zwei Monate alten Regierung Netanjahus. So wolle diese nicht nur die Politik verändern, „sondern auch das Wesen Israels als Staat. Keine liberale Demokratie mehr, stattdessen wird geschickt ein nationalistisch-religiöses, autoritäres Regime etabliert.“ Die Einschränkung von Persönlichkeitsrechten benachteiligter Gruppen oder auch die weitere Beschränkung der Rechte von Palästinensern im Westjordanland wären die Folge. Und das alles dann ohne eine unabhängige Kontrollinstanz.
Für einen etwas ausführlicheren Einstieg empfiehlt sich ein Artikel aus der Financial Times von ANDREW ENGLAND und JAMES SHOTTER, die einige absurde Stimmen zitieren und so gut die verschiedenen radikalen Ansichten einiger Rechtsextremer in Israel verdeutlichen.
FRANKA LU erzählt in einem Beitrag der ZEIT vom Ende der Corona-Pandemie in China und welche Rolle die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) davor gespielt habe. Offiziell sei die Pandemie nun „besiegt“, wie die chinesische Staatsführung verkündete. Doch auch wenn sich die Bevölkerung immer weniger mit der Corona-Zeit auseinandersetzen wolle, blieben viele Fragen offen, so LU. Eine davon sei die Rolle der TCM während der Pandemie. So hätte die „Regierung in Peking TCM-Präparate als Covid-Allheilmittel gepriesen“. Auch wenn die Wirkungen solcher Präparate wissenschaftlich recht umstritten seien, hätte es zu den Wirksamkeitsfragen von TCM während und gegen Covid keine mediale Debatte gegeben. Dies käme nicht nur durch die weite Verbreitung als „das Fundament der traditionellen konfuzianischen Gesellschaft Chinas“. Sondern auch, weil „Präsident Xi Jinping, der die TCM wiederholt als Chinas Schatz bezeichnet hat“, fordere, „dass ihr Einsatz forciert werden solle“. Damit sei Xi aber keine Ausnahme. So hätten fast alle vergangenen kommunistischen Führer die Verbreitung von TCM gefördert, obwohl sie sich selbst auf die Versorgung von „im Westen ausgebildeten [Leib-]Ärzte“ verließen.
Medien
Im Guardian schreibt JONATHAN YERUSHALMY über einen internen Brief von Axel-Springer-CEO Mathias Döpfner an seine Mitarbeiter. So erzähle Döpfner davon, dass der Einsatz von Künstlicher Intelligenz viele Arbeitsplätze überflüssig machen könne. Döpfner ging sogar so weit zu behaupten, Journalisten würden Gefahr laufen, „durch künstliche Intelligenzsysteme wie ChatGPT ersetzt zu werden“. Deshalb müsse man sich „auf investigativen Journalismus und originelle Kommentare konzentrieren“. YERUSHALMY erzählt, dass immer mehr Medien-Unternehmen mit dem Einsatz von KI experimentieren würden. Doch würden diese teilweise (noch) viele Fehler bei der Erstellung von Artikeln machen.
Wissenschaft
Wir alle würden diese Bekannte kennen, welche „nie“ krank werden, erzählt SINA METZ in der ZEIT. Doch gibt es das wirklich, die Superimmunen? Antworten findet METZ bei dem Professor für Immunologie, Carsten Watzl, der das Phänomen vom angeblichen Superimmunsystem so erklärt: Zuerst einmal würde die Häufigkeit für Erkältungen vor allem davon beeinflusst werden, wie sehr man Viren im Alltag ausgesetzt sei, so Watzl. Kinderloser Single im Homeoffice vs. Kassierer mit Kleinkind mache da schon einiges aus. Die Abwehrfähigkeit setze sich aber aus verschiedenen Faktoren zusammen. Neben den nicht veränderbaren Genen, welche durchaus den ein oder anderen besser vorbereiten könnten, wären das vor allem „Umwelteinflüsse und dem Leben, das wir führen“. So habe eine Studie über eineiige Zwillingspaare gezeigt, dass sich trotz identischen Genmaterials die Immunsysteme so unterschieden hätten, „dass sich die Unterschiede nur durch äußere Einflüsse erklären lassen“. Wir geben uns durch den eigenen Lebensstil also ein Stückweit selbst die Stärke der Immunabwehr mit auf den Weg. Die am Ende aufgezählten typischen Immunschwächer sind dann so weit auch keine Überraschung: Ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel, Alkohol und andere Drogen, chronischer Stress sowie Schlafmangel.
Zum Schluss
Diese Woche empfehle ich einen Podcast vom Deutschlandfunk. „The Cure – Heilung aus dem Grab“ behandelt in 7 Folgen die aufkommende Problematik der Antibiotikaresistenz. Immer mehr Menschen sterben jedes Jahr an resistenten Keimen, und bis jetzt scheint es keine medizinische Lösung dafür zu geben. Doch es gibt Hoffnung in der Entwicklung der Phagen-Therapie. Was Phagen sind und was das mit einem Priestergrab in Irland zu tun hat, erfahrt ihr bei „The Cure“.
(Kleinere Korrekturen am 05.03.23 um 21:27)