Internationaler Frauentag bzw. Feministischer Kampftag
Zunächst zu der Meldung aus dem Iran, dass seit November junge Schülerinnen möglicherweise immer wieder Opfer von Giftanschlägen wurden. Die genaue Ursache, sowie Hintergründe zu möglichen Verursachern, sind bis jetzt nicht bekannt. Nachdem der iranische Staat 3 Monate lang keinerlei Anstrengungen unternommen hatte, um herauszufinden, warum Mädchen und junge Frauen regelmäßig in ihren Schulen schwere Erkrankungssymptome wie Benommenheit, Schwindel, Atemnot und Erbrechen zeigten, meldete sich der oberste Führer Irans Ajatollah Ali Chamenei nun zu Wort und verurteilte die angeblichen Anschläge zwar. Doch noch in den Wochen davor wurden immer wieder protestierende Eltern und ermittelnde Journalisten, weil sie Aufklärung forderten, festgenommen, berichten unter anderem SPIEGEL, ZDF und taz.
Im Ausmaß mit der himmelschreienden Frauenunterdrückung im Iran nicht vergleichbar, aber doch ein erhebliches Problem, ist die nicht erreichte Gleichberechtigung in Deutschland. Laut einer YouGov-Umfrage sähen 73% der weiblichen Befragten in Deutschland („eher“) keine Gleichstellung bei Rechten und Status zwischen Frauen und Männern. Ein nicht nur „eher“ alarmierender Befund. Auch wenn Umfrageergebnisse immer mit einer gesunden Portion Vorsicht zu studieren sind, gibt diese einem doch einen interessanten groben Überblick darüber, bei welchen Feldern der Gleichberechtigung noch am meisten Handlungsbedarf besteht. So sähen die Befragten (weiblich und männlich zusammengezählt) „die Gleichstellung von Frauen und Mädchen im Bereich Schule und Ausbildung“ am weitesten fortgeschritten. Hingegen sähen beim Arbeitsplatz 61% der Befragten die größten Probleme. So auch bei Sicherheit bzw. Kriminalität (47% der Befragten), sowie bezüglich politischer Entscheidungen (37% der Befragten). Zudem auffällig sei, dass bei der Beurteilung von Gleichberechtigungsfragen eine hohe Diskrepanz zwischen den Geschlechtern der Befragten bestehe: „So geben fast doppelt so viele Männer (52 Prozent) wie Frauen (27 Prozent) an, dass Frauen in Deutschland derzeit die gleichen Rechte und den gleichen Status haben.“
Und dass sich Frauen in Deutschland mehr vor Unrecht fürchten müssen als Männer, zeigt leider auch der traurige Alltag von Femiziden. Nach Erhebungen des Bundeskriminalamtes wird statistisch gesehen deutschlandweit alle 3 Tage eine Frau von ihrem (Ex-)Partner getötet. Häufig würden diese von Gerichten bisher „als Totschlag und nicht als Mord“ bewertet, berichtet die SZ. [Allerdings kann das auch damit zu tun haben, wie der Mordparagraf des Strafgesetzbuches konzipiert ist, siehe dazu: „Mörder ist wer…“, Anm.d.R.]. So gäbe es jetzt Forderungen in der SPD, Femizide grundsätzlich als Mord zu bestrafen. Doch auch wenn härtere Strafe erstmal gut klingen würden, findet RONEN STEINKE in einem Kommentar ebenfalls in der SZ, dass es sich die SPD-Fraktion damit zu bequem machen würde, wäre doch eigentlich viel mehr zu tun. Denn oft, wenn die Politik bei Problemen einfach nur Strafverschärfungen fordere, wolle sich diese die Lösungen nichts kosten lassen. „Ihnen ist die dolle Geste wichtiger als der Effekt.“ Doch sei in der Kriminalistik empirisch höchst zweifelhaft, dass sich Täter durch höhere Strafen abschrecken ließen. Stattdessen seien viel dringendere Forderungen an die Politik zum Schutz von Frauen zu richten: Flächendeckendere Verfügbarkeit von Frauenhäusern, die Möglichkeit, ebenfalls die Kinder mit unterbringen zu können, sowie Zeugenschutz bei Anzeigen von Gewaltdelikten, bis hin zu Chancen auf eine neue Identität in Extremfällen, findet STEINKE.
Die taz bringt in ihrem Spezialdossier zum „Anti-Antifeminismus“ einen Vorabdruck aus GILDA SAHEBIs Buch „Unser Schwert ist Liebe“. SAHEBI schreibt über die Proteste im Iran und darüber, ob das Tragen eines Kopftuchs kulturelle Freiheit oder Unterdrückung bedeutet. Sie redet auch gar nicht lange um den heißen Brei herum und behauptet, dass es in politisch linken Kreisen die Ansicht gäbe, dass „das Kopftuch doch Teil der Kultur in Ländern wie dem Iran [sei], und wenn man sich gegen das Kopftuch ausspreche, so glauben sie, sei das islamophob“. Dabei bestreitet SAHEBI nicht die Existenz islamophober Rechten: „Der Rassismus der rechten Seite ist leicht erkennbar. Hass gegen Muslim*innen ist nicht erst seit 9/11 im Westen angekommen, hat sich seitdem aber extrem intensiviert. Terroranschläge wie in Christchurch und in Hanau sind ideologisch fest mit rassistischen Verschwörungserzählungen verbunden.“ Andererseits verharmlose die gegenteilige (oft von Linken geäußerte) Extremansicht, „man müsse die ‚Kultur‘ der Menschen in islamischen Ländern respektieren“, dass das Kopftuch (der Hidschab) im Iran tatsächlich ein bestimmtes Symbol sei, nämlich: Ein Symbol für die Unterdrückung von Frauen durch eine ideologisch extremistische Machtelite, aus Männern bestehend, die den Islam als eine Art Universalerklärung für all ihre Frauenrechts- und Menschenrechtsverbrechen nutzt“.
Ukraine-Krieg
In seiner SPIEGEL Kolumne vergleicht THOMAS FISCHER den „völkerrechtswidrige(n) Angriffskrieg des Staats USA [gegen] den souveränen Staat Irak“ mit dem heutigen Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine. Im Folgenden schreibt FISCHER gewohnt ausufernd viel zum Relativieren, oder wie er es nennt, zum „Ins-Verhältnis-Setzen“ eines Ereignisses mit einem anderen. Es sei keine schlechte Sache an sich, bringe es einen doch dazu die Dinge „ein bisschen ‚abstrakt‘ zu verstehen, also zu ‚relativieren‘“. Doch was genau das alles jetzt für die aktuelle Situation bringt, verrät FISCHER leider bis zum Schluss nicht.
Einen kleinen Erkenntnisgewinn gibt es gleichwohl schon, so sei doch nach der Lektüre des Gesetzes (in dem Fall das Völkerrecht) klar, was zu tun sei: „Einleitung von Strafverfahren gegen Putin, Bush und Lawrow (posthum gegen Powell).“ Das ist dann aber auch irgendwie nichts neues. Es gibt das Völkerrecht, es gibt den Internationalen Strafgerichtshof. Das alles ist Vertragsrecht. Staaten, die diesem nicht beitreten sind also fein aus dem Schneider und zwar sowohl die USA, wie auch Russland.
In einem Kommentar in der FAZ schreibt CLAUDIUS SEIDL über die „deutsche Angst“. Dass Angst auch zu irrationalem Verhalten führen kann, veranschaulicht SEIDL an der Annahme vieler „Friedensfreunde“, dass Putin nach seinen Atomdrohungen nicht weiter zu reizen sei, da nur dies unsere Sicherheit garantiere. Dabei sei die Angst vor einem Atomkrieg zwar nicht unbegründet. Niemand könne ausschließen, dass Putin zum Atomschlag greift. Doch sich deswegen seinen Forderungen und Plänen widerstandslos zu unterwerfen, würde unsere Welt nicht sicherer machen. Denn würde er damit durchkommen, würde er weiter drohen. Zudem würden sich „all die anderen Autokraten, die über nukleare Arsenale verfügen“, ein Beispiel daran nehmen. „Und die, die keine Atomwaffen haben, werden sich beeilen, welche zu bekommen.“
Wissenschaft
GERLINDE FELIX schreibt im Tagesspiegel über die Ziele und Möglichkeiten in der Krebstherapie. „Jeder Mensch hat jeden Tag ein wenig Krebs.“ Doch normalerweise würde unser Immunsystem solche entarteten Zellen sofort erkennen und zerstören. Käme es aber dazu, dass sich solche Zellen einmal dem Zugriff des Immunsystems entzögen, könne dies Ausgangspunkt für bösartige Tumore sein. Eine Lösung dafür sei eine neu entwickelte Immuntherapie: die CAR-T-Zelltherapie. Diese unterstütze das Immunsystem beim Aufspüren von Krebszellen wie „eine Art ‚Navi‘“. Dies Therapie sei schon sehr wirksam gegen Blutkrebstypen. Bei „soliden Tumoren wie Bauchspeicheldrüsenkrebs und Brustkrebs scheitert der Ansatz bislang“. Doch auch an der Wirksamkeitssteigerung bei solchen Krebsarten würde geforscht. So erprobe die Mainzer Firma Biontech, die CAR-T-Zellen noch genauer auf den Zieltumor mittels mRNA-Molekülen „schulen“ zu können. Für FELIX würde es zwar „noch Jahre dauern“ bis all dies gelingen kann. Doch die Zukunft der Immuntherapie rund um mRNA scheint doch auch im Auge eines medizinisch-wissenschaftlichen Laien vielversprechend.
Geschichte
Die FAZ bringt eine gekürzte Version einer Rede der Schriftstellerin EVA MENASSE, welche diese am 6. März in der Berliner St. Marienkirche anlässlich des achtzigsten Jahrestags der Rosenstraßenproteste hielt. So erzählt MENASSE, dass der Rosenstraßen-Protest die größte Demonstration während der NS-Diktatur gewesen sei. Zu diesen sei es durch die letzte Deportationswelle im Februar 1943 gekommen, als Juden mit „arischen“ Partnern gesondert von den „Volljuden“ in der Berliner Rosenstraße gesammelt wurden. Und in der Folge seien bei Besuchen „die nichtjüdischen Ehefrauen und andere Verwandte in der kleinen Straße [stehen geblieben] und riefen in Sprechchören: ‚Wir wollen unsere Männer wiederhaben!‘“ Diese gesonderte Behandlung von Mischehen meist zwischen „arischen“ Frauen und jüdischen Männern wären zwar die Ausnahme gewesen. Aber trotzdem hätten die Nazis in ihrer wahnsinnigen Rassenlehre bei Mischehen einige Unterscheidungen gemacht. So galt eine Mischehe als „privilegiert“, sofern die Kinder christlich erzogen wurden. Andersherum hätte es auch die „nichtprivilegierten Mischehen“ gegeben, bei denen Kinder von einem jüdischen Vater und einer katholischen Mutter bei jüdischer Erziehung als „Geltungsjuden“ den „Volljuden“ gleichgestellt worden wären. Und auch die nicht jüdische Mutter hätte „mit Ausnahme der Lebensgefahr alles [abbekommen können].“ Die Stigmatisierung, den Verlust von Kindern, die Vernichtung der bürgerlichen Existenz.
Im Alter von 103 Jahren ist Traute Lafrenz, letztes überlebendes Mitglied der Widerstandsgruppe „Weiße Rose“, in den USA gestorben.
Technik
SASCHA LOBO fragt im SPIEGEL: „Wo bleibt der KI-Aufschrei?“ Seit längerem melden sich immer wieder Stimmen zu Wort die, angestoßen durch den Release von ChatGPT, versuchen, die bevorstehende KI-Wende in der Arbeitswelt einzuordnen. Doch insgesamt würde diese recht ruhig geführten Debatten überhaupt nicht das wirkliche Ausmaß des ganzen erfassen. So würden wir tatsächlich gerade „den öffentlichen Start einer Revolution miterleben“, welche mindestens so groß werden würde, wie die Industrialisierung oder die Einführung der Elektrizität. Selbst die Kreativität, noch vor kurzem von Expertinnen als unnachahmbar von Maschinen erklärt, sei nicht mehr sicher. Denn längst sei „KI schöpferisch tätig“. Auch wenn diese noch nicht immer perfekt ausgereift sei, so wäre es trotzdem nur „eine Frage der Zeit, bis im SPIEGEL regelmäßig Artikel erscheinen, die von einer künstlichen Intelligenz produziert werden. Und Podcasts. Und Filme.“ Und so sei diese Revolution auch grundlegend anders, da andere Leute betroffen seien. Früher seien dies bei der Automatisierung von Technik vor allem Arbeiter in Fabriken und Werkstätten gewesen. Doch „diesmal sind die Leute in den Büros betroffen, die mit Abitur und Studium“.
Doch beim Arbeitsplatzverlust hört der KI-Spuk nicht auf. Auch wenn KI wohl viele große und großartige Möglichkeiten bietet (und sowieso nicht mehr aufzuhalten ist), sollte man dringend auch über die beängstigenden Gefahren nachdenken, die uns früher oder später dazu zwingen werden, strenge Regeln für ihren Einsatz zu schaffen. So berichtet JOHN HENDRICKSON auf The Atlantic davon, dass der nächste politische Skandal gefaket sein könnte. Längst gäbe es KI-Anwendungen, die Stimmen bei ausreichendem Trainingsmaterial so täuschend echt nachahmen könnten, dass wir uns eigentlich nie sicher sein werden, ob eine Aufnahme echt oder künstlich erzeugt sei. Außerdem gibt HENDRICKSON einige beunruhigende Beispiele dafür, was es im Bereich der Audiofälschung schon alles gibt: „Eine KI-Version von Emma Watson, die Mein Kampf liest, ein KI-Bill Gates, der ‚enthüllt‘, dass der Coronavirus-Impfstoff AIDS verursacht, ein KI-Biden, der Transgender-Personen angreift. Die Reporter von The Verge haben ihren eigenen KI-Biden geschaffen, um die Invasion Russlands anzukündigen und eine der giftigsten Verschwörungstheorien unserer Zeit zu bestätigen.“
Zum Schluss
Heute zu einem Film der im Iran spielt. Zunächst möchte ich sagen, dass ich eigentlich nicht nur Schlechtes über den Iran schreiben will. Die Menschen und ihre Kultur haben großartige Dinge zu bieten, hier sei als Beispiel nur der Diwan vom Dichter Hafis genannt. Auch der riesige Mut der vielen jungen Frauen, die seit Monaten für ein freies Leben in einem demokratischen Iran protestieren, ist bewundernswert. Leider wird all das durch die vielen Unrechtshandlungen der diktatorischen Herrschaft religiöser Fanatiker in Mitleidenschaft gezogen. Also nun zum Schluss, der Film „Holy Spider“. Der Film spielt in der heiligen Stadt Maschhad. Ein Unbekannter, welcher in der Öffentlichkeit „Spinnenmörder“ genannt wird, ermordet regelmäßig Prostituierte, um seiner Auffassung nach die heiligen Straßen der Stadt vom „Schmutz“ zu reinigen. Eine junge Journalistin kommt dem ganzen auf die Spur, doch schnell merkt sie, dass niemand so richtig Interesse daran hat, die Verbrechen aufzuklären. Der Film lief vor kurzem in den Kinos und wird bestimmt demnächst auch für zuhause verfügbar sein. ALI ABBASI ist eine hervorragende Regie geglückt, die mit ihren schönen Aufnahmen von Maschhad und einem teils mächtigen Soundtrack einen Film kreiert, der für mich, vor allem auch durch die Geschichte, an manchen Stellen nur schwer erträglich mit anzusehen war. Ich dachte wirklich: Okay, ich muss jetzt aufstehen und den Saal vorzeitig verlassen.